Sport-Abzeichen für Anfänger

Sportabzeichen machen ist doch einfach, oder? Spätestens auf dem Sportplatz werden auch Marathonis zu Sportabzeichen-Anfängern.

Alter schützt vor Sportabzeichen nicht – Best-Ager auf Gold-Jagd

Hand aufs Herz: Wann warst du das letzte Mal so richtig aktiv mit Weitsprung, Sprint oder Ballwurf befasst? Bei den meisten Erwachsenen ist diese Erfahrung schon einige Jahre bis Jahrzehnte her und nicht wenige verbinden mit dem Begriff „Bundesjugendspiele“ alte Kindheitstraumata, wenn es wieder einmal nicht zur Siegerurkunde gereicht hat. Das deutsche Sportabzeichen ist das Bundesjugendspiel für Erwachsene und fristet ganz zu Unrecht ein soziales Schattendasein. Zeit, sich dem Thema einmal anzunehmen und mit eigenem Leib das Kindheitstrauma zu überwinden. Lust, mich virtuell auf meinem Gang zum guten alten Sportplatz zu begleiten? Dann komm und vielleicht kann ich dich ja am Ende dazu motivieren, es einmal selbst oder in einer lustigen Gruppe zu probieren …

Die grüne Unschuld ist der Rasen, bevor wir ihn besporteln

Grün liegt der Platz da, von weitem ein trubeliger Ort des Verweilens. Vereinzelt laufen Menschen um das Rasenrund, während kleine Grüppchen von motivierten Kindern um die Wette rennen. Die Sonne bescheint die idyllische Szenerie, als gäbe es keinen schöneren Platz, um sie mit ihrem Licht zu erhellen. Es ist Freitagnachmittag und wir – mein Mann und ich im sogenannten „Best-Ager-Alter“, wollen uns an das Wagnis „Sportabzeichen“ trauen. Wo andere in unserem Alter bestenfalls noch auf dem Ü40-Tanzcafé gemütlich vor sich hin schwoofen, haben wir uns tatsächlich vorgenommen, um eine Urkunde und ein goldenes Abzeichen zu kämpfen.

Du fragst dich vielleicht, ob es denn gleich das goldene Abzeichen sein muss? Natürlich, denn der typische Best-Ager, geboren in den 60ern, ist immer besessen von Ehrgeiz und möchte der Jugend, die unverschämterweise so ohne jegliche Anstrengung durchs Leben laviert, zeigen, dass man ja doch noch mithalten kann. Da kam die kurze Notiz in der örtlichen Zeitung gerade recht, die bekanntgab, dass man ab sofort wieder jeden Freitag für das Sportabzeichen trainieren kann.

Startfelder auf dem Sportplatz
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Vier Trainer nur für uns – Das Sportabzeichen-Team wartet

Inge, Lore, Reinhard und Hans sind mindestens auch Best-Ager, wenn nicht gar weit darüber hinaus. Selbst für ihr Alter noch in guter Form, freuen sie sich, endlich wieder jemandem die Regularien für das Sportabzeichen erklären zu können. Von weitem sind sie deswegen schon gut an der Rückenbeschriftung „Sportabzeichen-Team“ ihrer Trainershirts erkennbar. Gleich werden wir freundlich in die Sportlergemeinschaft aufgenommen mit dem Hinweis, dass hier alles „ganz locker abläuft“. Man trainiert und wenn man gut genug ist, wird die Weite oder Zeit natürlich gleich in die Sportabzeichen-Karteikarte eingetragen. Es gibt 4 Disziplinen, in denen man sich messen kann: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Außerdem muss man nachweisen, dass man 15 Minuten ohne Unterbrechung Schwimmen kann. Praktisch, dass das Freibad gleich neben dem Sportplatz ist und im Sommer diese Prüfung dann dort absolviert werden kann. Inge warnt uns lachend, dass „Toter-Mann-Machen“ nicht gilt, es müsse schon eine gewisse Schwimmbewegung nach vorne erkennbar sein. Da unsere muntere Schwimmabzeichen-Trainer aber erst dann das Schwimmen prüfen können, wenn das Freibad öffnet, bleibt uns noch etwas Zeit zum Üben

Sportabzeichen für Anfänger – Die Disziplinen

Heute aber wagen wir uns zunächst an die Disziplinen, die wir schon seit 40 Jahren nicht mehr praktiziert haben, also zuerst Weitsprung. Ich erinnere mich an meinen besten Sprung, den ich mit 9 Jahren bei meinem letzten Sportabzeichen 1977 errungen hatte. Damals trainierte ich noch im Leichtathletik-Verein und kam auf stolze 3,30 Meter – eine Weite, die ich jetzt gerne locker erreichen würde. Ich lasse meinem Mann den Vortritt, der als Disziplin-Allrounder jede Sportart schnell in ihrer erforderlichen Motorik adaptiert und voranprescht. Erst einmal den geeigneten Anlaufpunkt suchen und los geht’s, er rennt und springt wie eine Sprungfeder vom Brett in den Sand, die Beine vorbildlich nach vorne geschwungen. Es sieht schon einmal recht sportlich aus und er kommt schon beim ersten Sprung auf eine Weite von 4,06 Metern. Immerhin wäre aus dem Stand schon einmal Silber geschafft. Inge nimmt sicherheitshalber schon einmal die Zeit auf, denn: „Verbessern kannst du dich ja immer noch“. Bei mir gestaltet sich die Sache als nicht ganz so einfach. Ich versuche, meinen Mann zu imitieren und renne ganz schnell voran, schaue dann aber beim Absprung auf das Brett unter meinen Füßen und lande dadurch schnell, aber nicht weit genug im Sand. Im dritten Anlauf schaffe ich es knapp über 2,60 Meter, übertrete aber und spüre ein leichtes Ziehen in der Bandscheibe. Auch das noch! Meine Bandscheibe und ich, wir hatten uns gerade durch das Laufen miteinander versöhnt und jetzt meldet sie sich mit einer leisen, aber unmissverständlichen Warnung zurück. Reinhard, der alte Sportsmann, rät mir davon ab, weiter im Weitsprung zu trainieren und es vielleicht mit einer anderen Disziplin aus dem Bereich „Koordination“ zu versuchen. Zur Wahl stünden noch Hochsprung, Schleuderball oder Seilspringen. Ich überlege, für Seilspringen zu üben, denn das geht auch sehr gut von zu Hause aus. 10 Rückwärtssprünge muss ich dafür am Stück für die Bronzemedaille schaffen, 20 für Silber und 30 wären es für den Goldstatus.

Alles eine Frage der Technik oder: Verloren im Ballwurf

Wir probieren es mit der nächsten Disziplin aus dem Bereich „Kraft“: Ein Medizinball von 2 Kilogramm muss mindestens 4,25 Meter weit geworfen werden. Lore scherzt, dass einfach nur Hans in seinem weißen T-Shirt als Ziel genommen werden müsse, dann könne nichts schief gehen. Reinhard zeigt mir den optimalen Bewegungsablauf, doch die Kugel rutscht mir aus der Hand und ich ziele gekonnt an Hans‘ Shirt vorbei und bleibe jedes Mal knapp unter 4 Metern. Patrick ist da deutlich ball-affiner als ich. Schnappt die Kugel und wirft sie gleich mal 13 Meter weit, noch über Hans hinweg. Reinhard goutiert die Leistung wohlwollend, indem er Patricks Oberarm-Muskulatur lobt und überhaupt findet, „dass Sie einen sportlichen Mann haben“. Im ersten Moment bin ich stolz, als wäre es meine eigene Leistung, doch dann fällt mir ein, dass Werfen überhaupt schon immer meine schwächste Disziplin war. Schon als Mädchen riss ich mit meinen miserablen Wurfleistungen die Bundesjungendspiel-Wertung gekonnt in den Teilnahme-Urkunden-Bereich. Reinhard schlägt deswegen Standweitsprung vor, das wäre auch mit weniger Koordinationsfähigkeiten erreichbar. Und so mache ich mich dran und versuche mit einem Sprung so weit wie möglich nur durch Muskelkraft in den Weitsprung-Kasten zu springen. Und tatsächlich: Wie eine Sprungfeder schnelle ich nach vorne und komme immerhin auf 1,57 Meter, womit ich die Mindestbedingung für Gold erfüllt habe!

Kann der Marathoni auch sprinten?

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Bleiben noch zwei Bereiche, in denen wir als Marathonläufer sicher glänzen können, oder? Zu absolvieren sind ein 50-Meter-Sprint, um die Schnelligkeit zu beweisen und ein 3000-Meter-Lauf für die Ausdauer. Wir überlegen zuerst an diejenige Disziplin zu gehen, die wir am wenigsten trainieren, nämlich den Sprint. Zwar gehört auch Intervalltraining zu unserer Marathonvorbereitung, aber diese schnellen Einheiten sind meist integriert in längere Läufe. Hans, der weise Trainer, rät uns, zunächst die Ausdauer zu absolvieren, weil dann die Muskeln bereits warm wären, doch wir machen uns wider seinen Rat nach ein paar Aufwärm-Einheiten an die 50 Meter, getreu dem Motto: „Was du hast, das hast du“. Hans zieht die hölzerne Start-Klappe und wir rennen auf sein Zeichen wie die wilde Wutz los, mit Inge und Lore als Zielmaskottchen. Lore hat mir noch als Tipp auf den Weg gegeben: „Renn so schnell du kannst“. Patrick zieht wie ein Pfeil davon und ich hetze hinterher, doch auf halber Strecke wird er plötzlich abrupt langsamer und humpelt wie ein erlahmtes Pferd ins Ziel. Sein Oberschenkel hat wie vom Blitz getroffen dicht gemacht und ihn aus dem Rennen gekegelt. Wir können Hans in dem Moment nicht sehen, doch es würde mich nicht wundern, wenn er ein wissendes „Hab ich’s doch gewusst“ gemurmelt hätte. Wird Patrick nun die 3000 Meter schadlos überstehen?

Das Beste kommt zum Schluss: 3000 Meter Ausdauerlauf

Praktischerweise sind unsere Trainer an diesem Tag exklusiv für uns da, weil sich sonst niemand für das Sportabzeichen-Training eingefunden hat. Und so postieren sie sich an den 500-Meter-Marken, um uns die Zwischenzeiten zuzurufen. 7,5 Bahnen sind zu laufen. Ich muss es mit meinen 53 Jahren in mindestens 24:5 Minuten schaffen, für Gold in 19:10 Minuten. Natürlich versuche ich die 19 Minuten zu unterbieten und überlege zusammen mit Inge, dass ich dafür im Schnitt eine 6er-Pace laufen muss. Hans schlägt wieder die hölzerne Startklappe und los geht’s. Ich bin noch im Sprintmodus und renne erst einmal wie von der Tarantel gestochen los. Die Lauf-Uhr verrät eine Pace von 4 Minuten – viel zu schnell für die Ausdauer-Disziplin – und so nehme ich gleich mal etwas Tempo raus und pendele mich bei einer Pace von 5:40 ein. Die Sache läuft gut an, aber nach der 3. Runde empfinde ich das dringende Bedürfnis, etwas zu trinken, habe aber meinen Laufgürtel mit der Wasserflasche nicht dabei. Also gilt es, mit trockener Kehle weiterzulaufen. Inge ruft mir tapfer die Zwischenzeiten zu. Ich liege gut in der Zeit und erhasche mit einem Seitenblick, dass Patrick das Ding zu Ende läuft – Aufgeben ist keine Option. Ich gebe auf den letzten 500 Meter noch einmal Gas und laufe die 3000 Meter in 16:13 Minuten und werde endlich auch von Inge gelobt: „Super Zeit! Manche Jüngere schaffen das nicht so schnell“. Glücklich lassen wir die Zeiten in unsere Prüfkarte aufnehmen. Und so bin ich am Ende des Tages doch noch mit einem Erfolgserlebnis belohnt worden. Wir verabschieden uns von unseren 4 Interimstrainern, die sich schon auf ein Wiedersehen in einer der nächsten Wochen freuen. Sportabzeichen, wir kommen!

Neugierig geworden, ob wir das Sportabzeichen gemacht haben? Demnächst erfährst du es hier.

Links für dein Sportabzeichen:

  • Hast du Lust bekommen, es einmal selbst zu versuchen? Auf der Seite der Deutschen Sportbundes findest du neben dem guten alten Maskottchen „Trimmy“ auch alle aktuellen Anforderungen, die du für die jeweilige Disziplin und erbringen musst, um ein Bronze-, Silber- oder Gold-Abzeichen zu erlangen.
  • Wo kann ich trainieren? Einfach die Postleitzahl auf dieser Seite des DSB eingeben, und los geht’s.

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